Aber ich clickere doch eh…? Oder auch: alles ohne Druck und Zwang!?
Immer wieder treffe ich sowohl im echten Leben als auch online auf Leute, die behaupten, mit ihren Pferden zu clickern, also mit positiver Verstärkung zu arbeiten. Bei näherem Hinsehen stellt sich heraus, dass leider parallel dazu ganz andere Dinge gemacht werden. Da wird zum Beispiel konventionell mit viel Druck longiert und festgestellt, dass das Pferd total „widersetzlich“ dabei ist. Es werden unerwünschte Verhaltensweisen wie beissen oder schlagen streng bestraft, mit der Begründung, dass man sowas wirklich nicht durchgehen lassen kann. Es wird das Erwünschte geclickert und gleichzeitig das Unerwünschte bestraft. Oder es wird grundsätzlich mit dem Clicker trainiert, aber doch auch selten mal mit Druck. Seit ich mich voll und ganz der positiven Verstärkung und der Arbeit mit dem Clicker verschrieben habe, möchte ich meinen Pferden im Training aus ethischen als auch moralischen Gründen keine unangenehmen Dinge zufügen. Da es aber keine geschützte Definition von Clickertraining gibt, handhabt das offenbar jeder anders.
Was dabei nicht bedacht wird ist, dass es absolut unratsam ist, unterschiedliche Trainingsphilosophien zu mischen. Warum? Das hat einen neurobiologischen Hintergrund. Grob gesagt: Beim Lernen mit positiver Verstärkung werden Glückshormone ausgeschüttet, beim Lernen mit negativer Verstärkung (Druck) und Strafe werden Stresshormone ausgeschüttet. Das heißt, wenn Druck und Strafe ins Training miteinfließen, hemmt das das Belohnungslernen, weil sich die beteiligten Botenstoffe im Gehirn sozusagen gegenseitig aufheben. Es kommt dann zu Stressreaktionen beim Pferd, die als Widersetzlichkeiten gedeutet werden, und die „Schuld“ daran wird oftmals dem Clickertraining zugeschoben. So wird das Clickertraining aber tatsächlich missbraucht! Ich bin deshalb zunächst vorsichtig, wenn jemand behauptet Clickertraining zu betreiben, denn Clickern bedeutet nicht unbedingt immer positive Verstärkung. Der Clicker ist nur ein Werkzeug, das beim Timing unheimlich unterstützt und grundsätzlich für die Arbeit mit positiver Verstärkung gedacht ist.
Weitaus öfter als die vermeintlichen Clickerer begegnet mir angeblich „ohne Druck und Zwang“ betriebenes Horsemanship. In sozialen Medien werden fragwürdige oder inkompetente Trainingsmethoden gerne an den Pranger gestellt und viel kritisiert - aber wenn es darum geht, pferdegerechte Alternativen zu bieten, wird immer nur das Horsemanship genannt. Und dann werden Verladetrainings-Videos hochgelobt und als „völlig ohne Druck“ gepriesen, in denen Pferde so lange mit Seil oder Carrot-Stick bewachelt, genervt und sekkiert werden, bis ihnen nichts mehr anderes übrigbleibt, als in den Hänger einzusteigen. Aber auch wenn langsam vorgegangen und augenscheinlich wenig Druck gemacht wird, heißt das nicht, dass das Pferd die Situation auch als angenehm und stressfrei empfindet! Wer genau hinsieht erkennt deutlich, wie gestresst die Pferde sind. Besonders sensible Pferde können leichte Berührungen schon als massiven Druck wahrnehmen! Es gibt leider kein Horsemanship ohne Druck, denn beim Horsemanship wird mit negativer Verstärkung gearbeitet, also dem Wegnehmen von etwas Unangenehmen, wenn das Pferd wie gewünscht reagiert. Und dieses Unangenehme ist meistens Druck, dem das Pferd entkommen will, und sei er auch noch so minimal.
Natürlich ist es niemals möglich, alle negativen Verstärker, also unangenehmen Reize die das Pferd ein Verhalten ausführen lassen, aus dem Umfeld des Pferdes zu entfernen. Auch beim Training kann es passieren, dass unabsichtlich ein unangenehmer Reiz angewandt wird, etwa wenn das Pferd erschrickt und in den straffen Führstrick springt. Und im Notfall, also wenn Leib und Leben von Tier oder Mensch gefährdet sind, würde ich auch immer das tun, was in der Situation notwendig ist, um diese zu entschärfen. Extremsituationen mit Gefahrenpotential sind aber normalerweise die absolute Ausnahme. Da wird dann auch nicht mehr trainiert, sondern nur deeskaliert. Beim Training mit positiver Verstärkung sind wir immer bestrebt, das Trainingsumfeld so zu gestalten, dass Stress- oder Angstsituationen gar nicht erst nicht aufkommen. Wenn wir durch die Arbeit mit positiver Verstärkung stets eine angenehme Lernatmosphäre schaffen, wird unser Pferd uns auch Fehler so wie unabsichtlich angewendeten Druck verzeihen. Wichtig ist nur, wie erwähnt, darauf zu achten was beim Mischen der Trainingsmethoden passieren kann. Der volle Zauber des Clickertrainings entfaltet sich erst dann, wenn wirklich nur positive Verstärkung angewendet wird und das Pferd lernt, selbständig und mit Freude zu agieren.