Clickertraining funktioniert nicht mit Beutetieren?
Heute mal etwas aus dem Bereich der Mythen, Sagen und Legenden, und zwar „Clickertraining funktioniert nicht mit Beutetieren“. Dieser Mythos hält sich hartnäckig in der Welt des Tiertrainings. Der Gedanke dahinter ist, dass Raubtiere es von Natur aus gewöhnt sind, für ihr Futter zu arbeiten da sie es erlegen müssen, während Beutetiere (wie Pferde) dies nicht müssen. Beutetiere schätzen Sicherheit und Wohlbefinden am allermeisten, deshalb funktioniert Clickertraining mit ihnen nicht. Darüber stolpert man immer wieder in der Pferdewelt! Zeit, mit diesem Mythos aufzuräumen.
Was ist ein Beutetier?
Zunächst ist nicht jedes Beutetier ein Pflanzenfresser. Beutetiere werden von Raubtieren gejagt, aber das heißt nicht, dass sie nicht selber auch jagen. Laut Meeressäuger-Trainerin Shawna Karrash sind alle Meeressäuger mit Ausnahme der Orcas Beutetiere. Bei Meeressäugern wird das Training mit positiver Verstärkung (Clickertraining) schon seit Jahrzehnten erfolgreich angewendet.
„Beutetiere verstehen keine Belohnungen.“
Mythos: Training mit Belohnungen funktioniert bei Raubtieren, weil diese es gewöhnt sind, hart für ihre Beute zu arbeiten, also für ihre Bemühungen belohnt werden. Aber für Beutetiere ist Komfort das Wichtigste, deshalb verstehen sie Belohnungen nicht, denn so funktioniert ihre Welt nicht.
Pferde sind Pflanzenfresser und müssen ihre Nahrung nicht jagen. Die Annahme, dass sie deshalb nicht gut mit positiver Verstärkung trainiert werden können, ist ein Sophsimus – ein Argument das scheinbar einen logisch gültigen Beweis führt, tatsächlich aber einen formellen oder informellen Fehlschluss darstellt (lt. Wikipedia). Positive Verstärkung, also das Hinzufügen von etwas Angenehmen um ein Verhalten zu verstärken, funktioniert genauso gut mit Pflanzenfressern wie mit Raubtieren.
ALLE Tiere, egal ob Fleischfresser, Pflanzenfresser, Raubtiere, Beutetiere oder sogar Fadenwürmer können lernen, auf Reize in ihrer Umgebung zu reagieren. Sie alle lernen, Unangenehmes zu vermeiden und lernen auch, was sie tun können, um etwas Angenehmes zu bekommen. Es ist im Prinzip nichts anderes als Überlebensinstinkt.
Abgesehen davon müssen auch Pflanzenfresser irgendwas tun, um an ihre Nahrung zu gelangen – Pferdeherden wandern zu Gewässern um zu trinken, suchen Weiden mit dem schmackhaftesten Gras oder gehen gezielt auf die Suche nach Salz oder bestimmten Kräutern zur Selbstmedikation.
Immer nur Futterbelohnung?
Positive Verstärkung bzw. Clickertraining wird oft mit Futterbelohnung assoziiert, jedoch muss es nicht immer Futter sein, das das Tier motiviert. Im Prinzip kann alles Angenehme verwendet werden, was das Pferd gerne möchte. Das Pferd bestimmt im Training, wofür es sich zu arbeiten lohnt – die Aufgabe der Menschen ist, herauszufinden was das alles sein kann, und ob das Verhalten durch die angebotene Belohnung zunimmt.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung des englischen Originalartikels von Sandra Poppema Bc.S., einer Pferdetrainerin aus Kanada. Sie ist außerdem zertifizierte Reitinstruktorin und Pferdeverhaltensberaterin und bietet Coachings sowie Workshops für Pferde-Clickertraining an. Dieser Artikel wurde mit ihrer Genehmigung von mir übersetzt und ist auf ihrem Blog erschienen: hippologic.wordpress.com/2016/08/01/myth-monday-clicker-training-doesnt-work-for-prey-animals/ Ihre Homepage lautet www.clickertraining.ca
Mein Fazit: Clickertraining funktioniert mit jedem Tier! Würde es nicht funktionieren, dann würde ich es nicht anwenden und auch nicht behaupten, dass es hervorragend bei Pferden funktioniert ;-)