Wie möchtest du gerne lernen?
Beim Pferdetraining gibt es so viele Ansichten, Lehren und Herangehensweisen wie es Pferde auf der Welt gibt. Jeder "Pferdeguru" ist natürlich der Meinung, dass seine Methode die beste und effektivste ist. Nur hat das Pferd auch mal wer gefragt wie es gerne lernen möchte?
Machen wir einen Ausflug in die Welt des Lernverhaltens. Grundsätzlich greifen wir beim Pferdetraining auf die Prinzipien der operanten Konditionierung zurück, d.h. das Tier lernt, dass auf sein Verhalten eine Konsequenz folgt.
Es gibt 4 verschiedene Möglichkeiten die als Konsequenz auf ein Verhalten folgen können. Die Begriffe „positiv" und „negativ" sind im Sinne von zufügen und wegnehmen zu verstehen, also „plus" und „minus".
Positive Verstärkung
Etwas Angenehmes wird hinzugefügt. (Emotion: Freude)
z.B.: Das Pferd trabt auf das Stimmsignal zum Antraben sofort an und bekommt eine Belohnung. Die Wahrscheinlichkeit, dass das erwünschte Verhalten wieder gezeigt wird, ist hoch.
Positive Strafe
Etwas Unangenehmes wird hinzugefügt. (Emotion: Angst)
z.B.: Das Pferd reagiert nicht sofort auf das Antrabekommando und bekommt dafür einen Gertenhieb. Die Wahrscheinlichkeit, dass dass unerwünschte Verhalten wieder gezeigt wird, nimmt ab.
Negative Verstärkung
Etwas Unangenehmes wird weggenommen. (Emotion: Erleichterung)
z.B.: Es wird so lange mit dem Schenkel geklopft mit bis das Pferd antrabt, dann wird sofort aufgehört. Die Wahrscheinlichkeit, dass das erwünschte Verhalten wieder gezeigt wird, ist hoch.
Negative Strafe
Etwas Angenehmes wird weggenommen. (Emotion: Frust)
z.B.: Das Pferd reagiert nicht auf das Antrabesignal, weshalb der Trainer seine Aufmerksamkeit und Zuwendung entzieht. Die Wahrscheinlichkeit, dass dass unerwünschte Verhalten wieder gezeigt wird, nimmt ab.
Wenn wir uns konventionelle Pferdetrainingsmethoden ansehen, wird deutlich, dass vorwiegend mit negativer Verstärkung und/oder positiver Strafe gearbeitet wird. Wenn einem Pferd etwas Neues beigebracht werden soll, wird es meist so lange mit den neuen Reizen und Kommandos konfrontiert bis es die gewünschte Reaktion zeigt und z.B. an der Longe im Kreis läuft. Das kann je nach Charakter des Pferdes mit viel Peitschengefuchtel, -geknalle oder gar Schlägen sein weil das Pferd nicht vorwärts bzw. auf den Zirkel gehen will, oder mit viel Herumgezerre an der Longe weil das Pferd unkontrolliert davonstürmt. Abgesehen davon dass man biomechanisch korrektes, gymnastizierendes Longieren sowieso komplett anders aufbauen sollte, wird hier dem Pferd immer nur gesagt was es NICHT tun soll. Ist es zu schnell wird an der Longe gezerrt, ist es zu langsam wird mit der Peitsche gefuchtelt, etc. etc. Es werden in diesem (bewusst überspitzt formulierten) Beispiel also nur die Fehler korrigiert.
Legen wir das einmal auf den Menschen um. Sagen wir du machst einen Kurs und sollst was Neues lernen. Der Ausbilder setzt dich vor die Aufgabe und sagt "mach!", aber du weißt nicht wie es geht, also machst du einfach irgendwas. Daraufhin wirst du korrigiert, dass das falsch ist. Also probierst du weiter herum, erträgst die srändigen Korrekturen oder gar ein Anschanuzen, und jeder deiner Fehler wird gemaßregelt. Schlussendlich weißt du zwar was alles falsch ist, aber was du genau machen sollst hat dir immer noch keiner erklärt. Du bist eingeschüchtert und schlimmstenfalls sogar schon leicht aggressiv, weil du nur korrigiert wirst. Klingt anstrengend und zermürbend, oder? Wäre es da nicht viel besser, wenn dein Ausbilder sich Zeit nimmt und dir Schritt für Schritt alles erklärt? Dich bei jedem Schritt in die richtige Richtung lobt und motiviert, weiterzumachen? Und die Fehler die du machst einfach nicht kommentiert, sondern das, was du gut machst, extra lobt? Klingt fein, oder? So wollen wir doch alle lernen! So kann es sogar richtig Spaß machen! Und so merkst du dir das Gelernte auch gleich viel besser.
Genauso funktioniert das Training mit positiver Bestärkung (z.B. Clickertraining). Es wird das, was richtig gemacht wird, mit etwas Angenehmem bestärkt. Fehler werden nicht korrigiert, sondern entweder ignoriert, oder das Lernumfeld wird so gestaltet, dass Fehler gar nicht auftreten. Andere Arten des Lernens, wie das mit Strafe (dem Zufügen von etwas Unangenehmen) oder negativer Bestärkung (dem Wegnehmen von etwas Unangenehmen, wie dem Druck beim "Natural Horsemanship") mögen zwar auch effektiv sein, sorgen aber für Frustpotential. Das Pferd lernt dabei sich zu fügen, oder sein Handeln hat unangenehme Konsequenzen. Das Pferd "funktioniert" dann halt mehr oder weniger gut...
Ich schließe dennoch nicht aus, dass man auch mit einem gewissen Maß an Druck pferdegerecht trainieren kann - und zwar dann, wenn der Druck maximal als Information dient, wie z.B. ein Anlegen des Schenkels oder eine feine Zügelhilfe. Druck wird meiner Meinung nach viel zu unreflektiert und pauschal eingesetzt, um das zu bekommen was man vom Pferd will, ohne zu hinterfragen wie sich das Pferd dabei fühlt. Es macht ja auch einen Unterschied, ob ich dich anremple und "weg da!" sage, oder ob ich dich antippe und höflich bitte, zur Seite zu gehen, oder?
Letzten Endes muss jeder für sich und vor allem sein Pferd entscheiden, wieviel Druck er/sie im Training für OK befindet. Wichtig ist nur, sich über das Lernverhalten im Klaren zu sein und sich zu bemühen, dass das Pferd freudig mitarbeitet und motiviert bleibt.